Konzentration auf die nächste Kurve!

Im Frühjahr ist erst einmal gar nichts klar. detektor.fm steht auf wackeligen Beinen. Die letzten Rechnungen sind gestellt und neue Aufträge nicht in Sicht. Wird es uns in drei Monaten noch geben? Gelingt es uns, unsere Einnahmequellen zu diversifizieren? Werden die Leute weiter an die Idee von Onlineradio und Podcasts glauben? Wird die Wirtschaft irgendwann wieder anspringen? Wie lange reicht noch das Geld auf dem Konto?

Das was ich hier beschreibe, stammt nicht aus dem Hier und Jetzt, sondern erzählt vom Jahr 2010. Die Finanzkrise hatte gerade die Weltwirtschaft erschüttert und unser Unternehmen stand noch ganz am Anfang. Allerdings haben mich all die Unsicherheiten und existentiellen Fragen, die nun im Zuge der Corona-Pandemie auf uns und mich zukamen, immer wieder an diese extrem unsichere Anfangsphase erinnert.

Beim Ausbruch der Corona-Pandemie hatten wir glücklicherweise mehr Sicherheit als 2010 und in zehn Jahren viele positive Schritte gemacht. Wir haben unser digitales Geschäftsmodell etabliert und digitales Arbeiten war bei uns im Team schon vor dem März 2020 vollkommen normal. All das hat es uns dann auch ermöglicht, ohne Kurzarbeit durch Frühjahr und Sommer zu kommen. Dafür bin ich extrem dankbar, denn mir ist natürlich bewusst, dass wir da unheimlich privilegiert sind.

»Irgendwie war mir immer klar, es geht nur mit kleinen Schritten weiter und alles kann auch Scheitern.«

Mir persönlich haben in solchen unsicheren Phasen immer drei Dinge geholfen: Mein Vater als prägende Figur in meinem Leben, der nach Rückschlägen immer wieder den Mut und die Kraft gefunden hat, aufzustehen, nicht aufzugeben und wieder neu anzufangen. Durch den Mauerfall und den massiven Umbruch einer ganzen Volkswirtschaft haben ja Millionen Ostdeutsche innerhalb kürzester Zeit Veränderungen, Siege und Niederlagen erlebt. Die Wissenschaft nennt das heute »Transformationskompetenz«. Ich als Kind der 1980er mit nur vagen Erinnerungen an die DDR trage diese Erfahrungen meiner Eltern, Verwandten und Freunde in mir. Irgendwie war mir immer klar, es geht nur mit kleinen Schritten weiter und alles kann auch Scheitern.
Zum Zweiten ist da die Musik, vor allem aus Großbritannien der 1990er Jahre, die aus meiner Sicht ganz ähnliche Geschichten erzählt. Menschen, die aus schwierigen Verhältnissen in Nordengland kommen oder in scheinbar aussichtslose Situationen geraten – und doch ihren eigenen Weg finden.
Der dritte Aspekt ist für mich der Sport. Schon beim Rennradfahren hat mich mein Trainer immer darauf hingewiesen, nicht gleich an die gesamte Distanz der heutigen Trainingsrunde zu denken, sondern immer nur bis zur nächsten Kurve zu schauen und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die bis dahin notwendig sind.

Mit wirtschaftlichen Krisen und unternehmerischen Herausforderungen gehe ich seitdem mit einer Mischung aus all diesen drei Prägungen um: Mit der Zuversicht meines Vaters, der Hoffnung vieler britischer Künstlerinnen und Künstler und dem konkreten Blick auf die anstehende Aufgabe. Vielleicht auch deshalb ist es uns als Team bisher gelungen in diesen unruhigen und ungewöhnlichen Tagen, Wochen und Monaten das Podcast-Radio detektor.fm und die dahinterstehende Firma sicher und stabil zu lenken.

Heute gehören wir trotz oder wegen all der Herausforderungen in den letzten zehn Jahren in Sachen Onlineradio und Podcasts zu den führenden Anbietern in Deutschland und entwickeln uns von Tag zu Tag weiter. Mein persönlicher Blick richtet sich dabei im Kern seit den ersten Tagen immer auf die nächste Kurve.

Christian Bollert

Christian Bollert (@cbollert) ist Mitgründer sowie geschäftsführender Gesellschafter vom Podcast-Radio detektor.fm und der dazugehörigen GmbH. Er kümmert sich um den laufenden journalistischen Betrieb, den wirtschaftlichen Gesamtüberblick sowie neue Ideen und Impulse. Christian präsentiert selbst regelmäßig Podcasts wie zum Beispiel den "brand eins Podcast" oder Deutschlands erfolgreichsten Fahrradpodcast "Antritt".

Christian Bollert